DIY Radioastronomie Podcast – Staffel 2: Planeten im Radiospektrum
Willkommen zur zweiten Staffel eures DIY Radioastronomie Podcasts! In dieser Episode tauchen wir in die faszinierende Welt der Radioemissionen unseres Sonnensystems ein.
Inhaltsverzeichnis
- Welche Planeten sind messbar und auf welchen Frequenzen?
- Warum kann man Signale empfangen und was verursacht sie?
- Welches Equipment und welche Software ist nötig?
- Amateur vs. Wissenschaftlicher Betrieb
- Welche Daten fallen an und welchen Umfang haben die Rohdaten?
- Messdauer und Erkenntnisse
- Gibt es physikalische Besonderheiten?
- Welche Experimente kann man noch machen?
- Asteroidengürtel oder Kometen empfangen?
- Was ist für Einsteiger, was für Profis?
- Quellenverzeichnis
Welche Planeten unseres Sonnensystems sind über ein Radioteleskop oder Antennen messbar? Auf welchen Frequenzen mit welcher Signalstärke kann man was empfangen und wie sind die Messungen zu interpretieren?
Von den Planeten unseres Sonnensystems sind insbesondere Jupiter, Saturn und in geringerem Maße Uranus und Neptun gute Radioquellen [1]. Die Erde selbst emittiert ebenfalls Radiosignale, die jedoch hauptsächlich von menschlichen Aktivitäten stammen. Von Merkur, Venus und Mars sind keine natürlichen Radioemissionen in messbaren Stärken bekannt, die für die Radioastronomie von Interesse wären.
Jupiter ist der bei weitem stärkste natürliche Radiostrahler unter den Planeten. Seine Emissionen lassen sich in zwei Hauptkategorien unterteilen:
- Dekametrische Emissionen (DAM): Diese treten im Frequenzbereich von etwa 5 bis 40 MHz auf [2]. Sie sind sehr stark und können die Sättigungsgrenze von Radioempfängern erreichen. Die Messungen werden typischerweise als „Burst“-Ereignisse interpretiert, da sie oft kurz und intensiv sind. Diese Emissionen stehen in engem Zusammenhang mit Jupiters Mond Io, der wie ein Dynamo im Magnetfeld des Jupiters wirkt [1, 2]. Die empfangbaren Signalstärken können Zehntausende von Janskys erreichen, weit über dem Rauschen des Hintergrunds.
- Dezimetrische Emissionen (DIM): Diese finden im Frequenzbereich von etwa 300 MHz bis 5 GHz statt [2]. Diese Emissionen sind thermischen Ursprungs und werden durch Synchrotronstrahlung von Elektronen im Jupiter-Magnetfeld erzeugt. Sie sind kontinuierlicher und schwächer als die dekametrischen Emissionen und erfordern empfindlichere Ausrüstung.
Saturn emittiert ebenfalls Radioemissionen, die jedoch wesentlich schwächer sind als die des Jupiters. Die Radioemissionen des Saturns werden hauptsächlich im Bereich von 100 kHz bis etwa 1.2 MHz beobachtet [3], können sich aber bis in den MHz-Bereich erstrecken. Sie sind oft mit Polarlichtern verbunden, ähnlich wie bei der Erde und dem Jupiter. Für den Empfang sind größere Antennen und empfindlichere Empfänger erforderlich.
Uranus und Neptun: Auch diese Eisriesen emittieren Radiowellen, die jedoch extrem schwach sind und nur mit sehr großen professionellen Radioteleskopen nachgewiesen werden können [1]. Ihre Emissionen sind ebenfalls mit ihren Magnetfeldern und Polarlichtern assoziiert.
Die Interpretation der Messungen beinhaltet oft die Analyse von Frequenzverschiebungen, Intensitätsschwankungen und Polarisationsmustern. Diese Daten geben Aufschluss über die Magnetfelder der Planeten, ihre Ionosphären, und die Wechselwirkungen mit ihren Monden und dem Sonnenwind.
Warum kann man überhaupt etwas von Planeten im Radiospektrum empfangen? Was verursacht diese Signale?
Man kann überhaupt etwas von Planeten im Radiospektrum empfangen, weil bestimmte physikalische Prozesse in ihren Atmosphären und Magnetosphären Radiowellen erzeugen. Die Hauptursachen für diese Signale sind:
- Synchrotronstrahlung: Dies ist der dominierende Mechanismus für die starken dezimetrischen Emissionen von Jupiter und auch für die Radiostrahlung anderer Gasriesen. Geladene Teilchen (hauptsächlich Elektronen) werden in den starken Magnetfeldern der Planeten auf spiralförmige Bahnen gezwungen und dabei stark beschleunigt [1, 4]. Diese Beschleunigung führt zur Emission von Radiowellen. Je stärker das Magnetfeld und je schneller die Elektronen, desto höher die Frequenz und Intensität der Strahlung.
- Zyklotron-Maser-Emission (CME): Dies ist der Hauptmechanismus für die dekametrischen Emissionen Jupiters und die Emissionen Saturns. Hochenergetische Elektronen, die entlang der Magnetfeldlinien der Planeten wandern, werden durch bestimmte Bedingungen (z.B. Wechselwirkung mit Plasma oder Monden wie Io) verstärkt und erzeugen eine kohärente Radiostrahlung [1, 2]. Dieser Effekt ist vergleichbar mit einem Laser, der Licht erzeugt, nur dass hier Radiowellen statt sichtbaren Lichts erzeugt werden. Die Emission ist oft sehr direktional.
- Thermische Emission: Jeder Körper, der eine Temperatur oberhalb des absoluten Nullpunkts hat, emittiert Wärmestrahlung (Bremsstrahlung). Planeten mit warmen Atmosphären oder Oberflächen emittieren daher auch schwache Radiowellen aufgrund der thermischen Bewegung ihrer Atome und Moleküle [1]. Diese Art der Emission ist breitbandig und weniger intensiv als die nicht-thermischen Prozesse.
- Polarlichter: Eng verbunden mit Synchrotronstrahlung und CME sind die Polarlichter. Wenn hochenergetische Teilchen aus dem Sonnenwind oder der planetaren Magnetosphäre in die obere Atmosphäre des Planeten eindringen und mit den atmosphärischen Gasen kollidieren, werden nicht nur sichtbares Licht, sondern auch Radiowellen erzeugt. Dies ist bei Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun der Fall [1, 3].
Die Möglichkeit, diese Signale zu empfangen, ist ein direkter Beweis für die Existenz und Stärke der planetaren Magnetfelder und die dort ablaufenden hochenergetischen physikalischen Prozesse. Ohne diese Magnetfelder und die damit verbundenen Teilchenpopulationen gäbe es kaum messbare Radioemissionen.
Welches Equipment und welche Software ist nötig?
Für die Radioastronomie, insbesondere für den Empfang von Jupiter-Signalen im Amateurrahmen, benötigt man spezifisches Equipment und Software:
Equipment:
- Antenne: Für Jupiter (DAM) sind Dipolantennen oder Yagi-Antennen geeignet. Eine einfache „Two-Element-Dipol“ Antenne ist für den Start ausreichend. Wichtig ist, dass die Antenne für den gewünschten Frequenzbereich optimiert ist (z.B. für 20,1 MHz bei Jupiter) [5]. Für schwächere Signale oder höhere Frequenzen werden oft größere oder speziellere Antennen wie Parabolspiegel benötigt.
- Empfänger/Radio: Ein Kurzwellenempfänger (SDR – Software Defined Radio) ist ideal, da er flexibel ist und über Software konfiguriert werden kann. Beliebte Optionen sind der RTL-SDR Dongle oder FunCube Dongle, die kostengünstig sind [5]. Auch spezielle Kommunikations- oder Amateurfunkempfänger können verwendet werden, solange sie den Frequenzbereich abdecken.
- Vorverstärker (LNA – Low Noise Amplifier): Ein LNA ist entscheidend, um das schwache Signal von der Antenne zu verstärken, bevor es den Empfänger erreicht. Dies verbessert das Signal-Rausch-Verhältnis erheblich [5].
- Computer: Ein Laptop oder Desktop-PC zur Steuerung des SDRs und zur Datenaufzeichnung und -analyse.
- Koaxialkabel: Niedrigdämpfendes Kabel zur Verbindung von Antenne, LNA und Empfänger.
Software:
- SDR-Software: Programme wie SDR# (SDRSharp), Gqrx (Linux) oder HDSDR (Windows) dienen zur Steuerung des SDRs, zur Frequenzabstimmung und zur Visualisierung des Spektrums [5].
- Datenaufzeichnungs-Software: Viele SDR-Programme haben integrierte Aufnahmefunktionen, um die Rohdaten (Audio oder I/Q-Daten) zu speichern.
- Analyse-Software: Programme wie „Radio-Jupiter Pro“ (RJP) sind speziell für die Vorhersage von Jupiter-Emissionen und die Analyse der empfangenen Daten konzipiert [6]. Auch allgemeine Audio-Analyse-Software (z.B. Audacity für Spektrogramme) oder mathematische Software (z.B. Python mit SciPy/NumPy) kann für tiefergehende Analysen genutzt werden.
- Planetariums-Software: Tools wie Stellarium oder ähnliche Anwendungen helfen dabei, die Position von Jupiter am Himmel zu bestimmen und vorherzusagen, wann er sichtbar sein wird.
Was geht im Amateur und was nur im wissenschaftlichen Betrieb von Observatorien?
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen dem, was im Amateurrahmen möglich ist, und dem, was nur im wissenschaftlichen Betrieb von Observatorien realisiert werden kann:
Amateur-Radioastronomie:
- Jupiter-Dekametrische Emissionen (DAM): Dies ist der „Königsweg“ für Amateur-Radioastronomen. Die DAM-Emissionen Jupiters sind extrem stark und können mit relativ einfacher und kostengünstiger Ausrüstung (Dipolantenne, SDR, LNA) erfasst werden [1, 5]. Der Nachweis von Bursts und die Beobachtung von Io-Kontrolleffekten ist absolut machbar.
- Sonnenemissionen: Die Beobachtung von solaren Radiobursts im UKW-Bereich ist ebenfalls mit Amateur-Equipment möglich.
- Meteoriten: Der Nachweis von Meteoren durch die Reflexion von Radiosignalen (z.B. von Rundfunksendern) ist ein weiteres beliebtes Amateur-Experiment.
- Saturn-Radioemissionen (begrenzt): Mit einer größeren Amateur-Anlage und unter optimalen Bedingungen könnten sehr starke Bursts vom Saturn eventuell detektiert werden, dies ist jedoch anspruchsvoller als bei Jupiter.
- VLF-Rauschen der Erde: Das Erfassen von VLF-Signalen (Very Low Frequency) aus der Erdionosphäre ist ebenfalls ein zugängliches Projekt.
Wissenschaftlicher Betrieb von Observatorien:
- Schwache planetare Emissionen: Der Nachweis von dezimetrischen Emissionen von Jupiter, oder jeglicher Emissionen von Uranus und Neptun erfordert riesige Parabolantennen, hochempfindliche gekühlte Empfänger und extrem rauscharmen Frontends [1].
- Extragalaktische Radioquellen: Die Beobachtung von Pulsaren, Quasaren, Galaxien und der Kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung ist ausschließlich Großobservatorien vorbehalten [7]. Hier sind extrem hohe Empfindlichkeit und Auflösung erforderlich.
- Interferometrie: Die Kombination der Signale mehrerer Teleskope über große Entfernungen (VLBI – Very Long Baseline Interferometry) ermöglicht eine extrem hohe Winkelauflösung, die für detaillierte Bilder und genaue Positionsbestimmungen benötigt wird. Dies ist ein Markenzeichen der professionellen Radioastronomie [7].
- Breiter Frequenzbereich und spezialisierte Instrumente: Observatorien verfügen über Instrumente, die einen extrem breiten Frequenzbereich abdecken und für sehr spezifische Messungen (z.B. molekulare Spektroskopie) optimiert sind.
- Langzeitstudien und große Datenmengen: Professionelle Observatorien führen Langzeitbeobachtungen durch und generieren gigantische Datenmengen, die nur mit Supercomputern und spezialisierter Software verarbeitet werden können.
Im Wesentlichen ist der Hauptunterschied die Skalierung der Instrumente und die damit verbundene Empfindlichkeit und Auflösung. Während Amateure beeindruckende Grundlagenforschung betreiben können, bleiben die Grenzen des Universums mit den größten Teleskopen den Profis vorbehalten.
Welche Form von Daten fallen an und welchen Umfang haben die Rohdaten?
In der Radioastronomie, sowohl im Amateur- als auch im Profibereich, fallen verschiedene Formen von Daten an:
Form der Daten:
- Rohdaten (I/Q-Daten): Dies ist die grundlegendste Form der Daten, insbesondere bei der Verwendung von SDRs. I/Q (In-Phase/Quadratur) Daten repräsentieren das komplexe Signal als zwei Komponenten – eine reelle (I) und eine imaginäre (Q). Diese Daten enthalten alle Informationen über Amplitude, Phase und Frequenz und können später in Software demoduliert und analysiert werden [8]. Sie sind die flexibelste, aber auch umfangreichste Datenform.
- Spektrum/Spektrogramm: Dies ist eine Frequenzdarstellung des Signals. Ein Spektrum zeigt die Signalstärke über einem Frequenzbereich zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein Spektrogramm (oder Wasserfalldiagramm) zeigt, wie sich das Spektrum über die Zeit verändert, wobei die Zeit auf einer Achse, die Frequenz auf einer anderen und die Intensität durch Farbe oder Helligkeit dargestellt wird [5].
- Zeitreihen (Light Curves): Hier wird die Signalstärke (oder die Rauschleistung) über die Zeit in einem bestimmten Frequenzbereich aufgezeichnet. Dies ist nützlich, um die zeitliche Variabilität von Signalen, wie z.B. Bursts von Jupiter, zu erkennen.
- Polarisationsdaten: Fortschrittlichere Systeme können die Polarisation der empfangenen Radiowellen messen (linear, zirkular). Dies gibt zusätzliche Informationen über die Quelle und das Medium, durch das das Signal reist.
- Kalibrierungsdaten: Daten, die zur Kalibrierung des Systems verwendet werden (z.B. Rauschmessungen, Antennendiagramme).
Umfang der Rohdaten:
- Amateur-Bereich: Für den Empfang von Jupiter DAM mit einem SDR können die Rohdaten (I/Q) schnell einige Gigabyte pro Stunde erreichen, je nach Abtastrate (Sampling Rate) und Frequenzbereich. Wenn man nur Audiodaten aufzeichnet (nach der Demodulation), ist der Umfang wesentlich geringer, typischerweise einige Megabyte pro Stunde. Spektrogramme können ebenfalls als Bilder oder in komprimierten Formaten gespeichert werden, was den Speicherbedarf reduziert.
- Wissenschaftlicher Betrieb: Professionelle Radioteleskope produzieren gigantische Datenmengen. Ein einzelnes Teleskop kann Terabytes pro Tag generieren. Bei Interferometrie-Anlagen, wie dem LOFAR (Low Frequency Array) oder dem SKA (Square Kilometre Array) in Zukunft, sprechen wir von Petabytes und Exabytes pro Jahr [7]. Diese Datenmengen erfordern Supercomputing-Anlagen und spezialisierte Datenmanagement-Infrastrukturen zur Speicherung, Verarbeitung und Analyse. Der Umfang ist so immens, dass die Datenverarbeitung eine der größten Herausforderungen in der modernen Radioastronomie darstellt.
Wie lange dauert eine Messung, um verwertbare Ergebnisse zu erzielen, und welche Erkenntnisse kann man aus den Messungen ziehen?
Die Dauer einer Messung hängt stark vom Ziel und der Art des Signals ab:
Messdauer:
- Jupiter DAM (Amateur): Um verwertbare Ergebnisse zu erzielen, sollte man Jupiter über mehrere Stunden hinweg beobachten, idealerweise während seiner Io-kontrollierten Emissionsphasen [6]. Diese Phasen können im Voraus mit Software wie „Radio-Jupiter Pro“ vorhergesagt werden. Kurze Bursts können nur Sekunden oder Minuten dauern, aber um das Muster zu erkennen und statistisch signifikante Beobachtungen zu sammeln, sind längere Beobachtungszeiten (z.B. eine ganze Nacht oder über mehrere Nächte) notwendig. Eine einzelne „Messung“ kann somit von wenigen Minuten (für einen einzelnen Burst) bis zu mehreren Stunden (für eine vollständige Beobachtungssitzung) reichen.
- Schwächere Signale/Professionell: Für schwächere planetare Emissionen oder extragalaktische Quellen können Beobachtungszeiten von Stunden bis zu Tagen oder sogar Wochen für eine einzige Quelle nötig sein, um genügend Signal zu sammeln und das Rauschen zu mitteln [7].
Erkenntnisse aus den Messungen:
Aus den empfangenen Radiosignalen können vielfältige Erkenntnisse gewonnen werden:
- Planetare Magnetfelder: Die Existenz und Stärke der Radioemissionen ist ein direkter Beweis für die Anwesenheit starker Magnetfelder bei den Gasriesen. Die Charakteristiken der Strahlung (Frequenz, Polarisation) geben Aufschluss über die Geometrie und Stärke dieser Felder [1].
- Wechselwirkungen Mond-Planet: Die Io-kontrollierten Emissionen Jupiters sind ein Paradebeispiel für die Wechselwirkung zwischen einem Mond und dem Magnetfeld seines Mutterplaneten [1, 2]. Die Analyse dieser Emissionen hilft, die dynamischen Prozesse in der Jupiter-Io-System zu verstehen.
- Plasma-Physik: Radioemissionen sind ein Fenster in die Plasmaumgebung der Planeten. Die Prozesse, die Radiowellen erzeugen (Synchrotronstrahlung, CME), sind fundamental für das Verständnis von Plasma in extremen Umgebungen.
- Atmosphären und Ionosphären: Die Radiowellen können durch die Atmosphären und Ionosphären der Planeten beeinflusst werden. Absorption oder Dispersion kann Aufschluss über die Zusammensetzung und Dichte dieser Schichten geben.
- Rotation der Planeten: Die Periodizität einiger Radioemissionen kann verwendet werden, um die Rotationsperiode von Planeten zu bestimmen, insbesondere für Gasriesen, wo visuelle Merkmale schwer zu verfolgen sind [1].
- Energetische Teilchen: Die Stärke und Art der Radioemissionen korreliert direkt mit der Population von hochenergetischen Elektronen in der Magnetosphäre eines Planeten. Man kann so die Verteilung und Dynamik dieser Teilchen untersuchen.
Gibt es physikalische Besonderheiten oder lassen sich physikalische Grundsätze wie der Dopplereffekt nachweisen?
Ja, in der Radioastronomie lassen sich verschiedene physikalische Besonderheiten und Grundsätze nachweisen:
- Dopplereffekt: Der Dopplereffekt ist absolut nachweisbar und ein wichtiges Werkzeug in der Radioastronomie. Die Frequenzverschiebung der empfangenen Signale kann verwendet werden, um die Relativgeschwindigkeit einer Quelle zu bestimmen. Dies wird beispielsweise eingesetzt, um die Rotation von Galaxien zu messen (Verschiebung der 21-cm-Linie von neutralem Wasserstoff) oder die Geschwindigkeiten von Gaswolken im interstellaren Raum [7]. Bei Jupiter-Emissionen könnte man subtile Dopplereffekte durch die Rotation des Planeten oder die Bewegung von Io nachweisen, was jedoch sehr präzise Messungen erfordert.
- Faraday-Rotation: Wenn linear polarisierte Radiowellen ein Magnetfeld durchqueren, dreht sich ihre Polarisationsebene. Dieses Phänomen, bekannt als Faraday-Rotation, ist proportional zur Stärke des Magnetfeldes und der Elektronendichte entlang des Signalwegs [1]. Es liefert wichtige Informationen über die Magnetfelder von Planeten, Sternen und im interstellalen Medium.
- Dispersion: Radiowellen unterschiedlicher Frequenz reisen mit leicht unterschiedlichen Geschwindigkeiten durch ein Plasma (wie die Ionosphäre der Erde oder die interplanetare Raumfahrt). Höhere Frequenzen reisen schneller. Dies führt zu einer zeitlichen Verzögerung der niedrigeren Frequenzen. Die Messung dieser Verzögerung (Dispersionsmaß) kann verwendet werden, um die Elektronendichte entlang des Signalwegs zu bestimmen, beispielsweise bei Pulsaren [7].
- Absorptionslinien: Wie im optischen Spektrum können auch im Radiospektrum Absorptionslinien auftreten, wenn bestimmte Moleküle oder Atome bei spezifischen Frequenzen Energie absorbieren. Dies ermöglicht die chemische Analyse von interstellaren Gaswolken oder planetaren Atmosphären.
- Szintillation: Wenn Radiowellen durch turbulente Medien (z.B. die Erdionosphäre oder den Sonnenwind) reisen, können sie in ihrer Intensität schwanken, ähnlich dem „Funkeln“ von Sternen im sichtbaren Licht. Dieses Phänomen wird Szintillation genannt und kann Hinweise auf die Eigenschaften des turbulenten Mediums geben.
Welche Experimente kann man noch im Bereich der Radioastronomie machen?
Abgesehen von der Planetenbeobachtung gibt es viele weitere spannende Experimente, die man im Bereich der DIY-Radioastronomie durchführen kann:
- Beobachtung der Sonne: Die Sonne ist eine sehr aktive Radioquelle. Man kann solare Radiobursts beobachten, die mit Sonnenflares und koronaren Massenauswürfen verbunden sind. Diese treten oft im UKW-Bereich (z.B. 20-300 MHz) auf und können mit relativ einfachen Antennen und SDRs detektiert werden.
- Meteor-Detektion: Dies ist ein beliebtes Amateurprojekt. Man verwendet eine Richtantenne, die auf einen entfernten UKW-Rundfunksender gerichtet ist, der selbst nicht direkt empfangbar ist. Wenn ein Meteor in die obere Atmosphäre eintritt, ionisiert er eine Spur, die Radiowellen reflektiert. Kurze „Ping“-Signale vom Sender zeigen das Vorhandensein eines Meteors an.
- Kosmische Rauschmessungen: Man kann versuchen, das allgemeine galaktische Radiohintergrundrauschen zu messen. Dies erfordert eine empfindlichere Antenne und einen Empfänger, aber selbst mit einfachen Mitteln lässt sich ein Anstieg des Rauschens in Richtung der Milchstraßenebene feststellen.
- 21-cm-Wasserstofflinie: Dies ist ein anspruchsvolleres, aber sehr lohnendes Projekt. Neutraler Wasserstoff im Weltraum emittiert Radiowellen bei 1420,4 MHz. Mit einem kleinen Parabolspiegel (z.B. umgebaute Satellitenschüssel) und einem geeigneten LNA und SDR kann man die Verteilung von Wasserstoff in unserer Galaxie kartieren und sogar die Rotationskurve der Milchstraße bestimmen (mittels Dopplereffekt) [7].
- VLF-Empfang (Very Low Frequency): Man kann sehr niederfrequente Radiowellen von der Erde (z.B. Blitze, „Whistler“ oder „Spherics“) empfangen, die durch die Erdionosphäre reisen. Dies erfordert oft große Spulenantennen.
- Satellitenbeobachtung: Nicht-terrestrische Experimente umfassen den Empfang von Signalen von Wettersatelliten oder sogar tiefgehenden Raumfahrtmissionen (wenn auch hierfür Spezialequipment nötig ist).
- ELF-Empfang (Extremely Low Frequency): Extrem niederfrequente Signale, die z.B. von Gewittern oder sogar Erdbeben emittiert werden können, lassen sich mit sehr großen Spulenantennen aufspüren.
- SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence): Obwohl sehr unwahrscheinlich, kann man ein Amateur-SETI-Projekt starten, indem man versucht, unerklärliche Schmalbandsignale zu detektieren. Dies ist jedoch ein sehr anspruchsvolles und ressourcenintensives Unterfangen.
Viele dieser Experimente erfordern Geduld und Präzision, bieten aber tiefe Einblicke in die physikalischen Prozesse im Universum.
Kann man mit Radioteleskopen auch Signale vom Asteroidengürtel oder Kometen empfangen?
Direkte Radioemissionen von Asteroiden oder Kometen im Sinne von „Funkeln“ oder „Senden“ von Radiowellen (ähnlich wie Planeten) sind extrem unwahrscheinlich und im Amateurbereich nicht nachweisbar. Asteroiden und Kometen sind im Allgemeinen zu klein und haben keine starken Magnetfelder oder atmosphärischen Phänomene, die signifikante nicht-thermische Radiostrahlung erzeugen würden.
Allerdings gibt es indirekte Möglichkeiten, sie mit Radioteleskopen zu „sehen“ oder zu studieren:
- Radarastronomie: Professionelle Radioteleskope werden oft als Sender und Empfänger für Radarastronomie eingesetzt. Dabei sendet das Teleskop Radiowellen zum Objekt (z.B. einem erdnahen Asteroiden) und empfängt die reflektierten Echos [9]. Aus diesen Echos können dann Informationen über die Form, Größe, Rotationsperiode und sogar die Oberflächenstruktur des Asteroiden gewonnen werden. Dies ist jedoch kein passiver Empfang von „natürlichen“ Signalen.
- Thermische Emission: Wie jeder Körper mit einer Temperatur über dem absoluten Nullpunkt emittieren auch Asteroiden und Kometen thermische Radiostrahlung (Bremsstrahlung). Diese ist jedoch extrem schwach und nur mit den empfindlichsten professionellen Teleskopen (oft im Mikrowellen- oder Submillimeterbereich) nachweisbar [9]. Die Messung dieser thermischen Emission kann Informationen über die Oberflächentemperatur und die thermischen Eigenschaften liefern.
- Kometare Koma/Schweif: In seltenen Fällen, wenn ein Komet sehr aktiv ist und eine dichte Koma oder einen Schweif aus Gas und Staub entwickelt, könnten schwache Emissionen von Molekülen im Gas detektiert werden, ähnlich wie bei interstellaren Gaswolken [9]. Dies wäre jedoch ebenfalls extrem schwierig und erfordert sehr große Observatorien.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man von Asteroidengürteln oder Kometen keine natürlichen „funkenden“ Signale wie von Jupiter empfangen kann. Ihre Untersuchung im Radiobereich erfolgt über aktive Radarastronomie oder den extrem schwierigen Nachweis sehr schwacher thermischer Emissionen oder molekularer Linien. Dies ist ausschließlich den professionellen Observatorien vorbehalten.
Was ist für Einsteiger empfehlenswert und was ist nur den Profis vorbehalten?
Um den Einstieg in die Radioastronomie zu erleichtern und gleichzeitig die Grenzen zu den professionellen Möglichkeiten aufzuzeigen:
Empfehlungen für Einsteiger (DIY Radioastronomie):
- Jupiter dekametrische Emissionen (DAM): Dies ist der absolut beste Startpunkt [5]. Die Signale sind stark, relativ einfach zu empfangen und es gibt viele Ressourcen und eine aktive Gemeinschaft, die Amateure unterstützt (z.B. Radio Jove Projekt). Ein SDR-Dongle, eine Dipolantenne und ein LNA sind eine gute Basisausrüstung.
- Sonnen-Radioemissionen: Die Beobachtung von Sonnenflares und Radiobursts im UKW-Bereich ist ebenfalls gut machbar und spannend.
- Meteor-Detektion: Ein sehr zugängliches Projekt, das oft mit existierendem UKW-Equipment oder einem einfachen SDR umgesetzt werden kann.
- VLF-Empfang: Das Horchen auf natürliche VLF-Signale (Whistler, Spherics) ist mit einfachen Spulenantennen möglich und bietet faszinierende Hörerlebnisse.
- Einfache Rauschmessungen: Der Nachweis des Anstiegs des Radiohintergrunds, wenn die Antenne auf die Milchstraße zeigt, kann ein erstes Gefühl für galaktisches Rauschen vermitteln.
Für Einsteiger ist es wichtig, mit Projekten zu beginnen, die sichtbare Erfolge liefern und nicht sofort überfordern. Der Fokus sollte auf dem Verständnis der grundlegenden Konzepte und dem Sammeln erster eigener Daten liegen.
Nur den Profis vorbehalten:
- Extragalaktische Radioquellen: Pulsare, Quasare, entfernte Galaxien – diese erfordern extrem große Aperturen, hohe Empfindlichkeit und komplexe Datenverarbeitung.
- Kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung (CMB): Die Überreste des Urknalls sind extrem schwach und benötigen spezialisierte, gekühlte Instrumente in Weltraumteleskopen oder an abgelegenen Standorten.
- Hochauflösende Kartierung (VLBI): Die Erzeugung von Radiobildern mit höchster Auflösung durch Interferometrie über Kontinente hinweg.
- Spektroskopie von Moleküllinien in weit entfernten Objekten: Die detaillierte chemische Analyse von Gaswolken in anderen Galaxien oder frühen Phasen der Sternentstehung.
- Schwache planetare Emissionen (außer Jupiter DAM): Obwohl Jupiter DAM für Amateure zugänglich ist, sind die dezimetrischen Emissionen Jupiters und alle Emissionen von Uranus oder Neptun nur mit professionellem Equipment nachweisbar.
Der Übergang vom Einsteiger zum fortgeschrittenen Amateur kann fließend sein, besonders wenn man sich Projekten wie der 21-cm-Wasserstofflinie widmet, die anspruchsvoll, aber mit viel Engagement und Wissen umsetzbar sind.
Quellenverzeichnis
- NASA Science – Radio Astronomy (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- Britannica – Jupiter: Radio Emissions (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- Wikipedia – Radio emission from Saturn (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- Caltech Submillimeter Observatory – Radio Astronomy Book: Synchrotron Radiation (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- NASA Radio Jove – Build a Radio Telescope (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- Radio Sky Publishing – Radio-Jupiter Pro (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- European Southern Observatory (ESO) – Radioteleskope (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- RTL-SDR.com – What is SDR? (Abgerufen am 26. Juni 2025)
- NASA JPL – Radar Astronomy (Abgerufen am 26. Juni 2025)
Vielen Dank fürs Zuhören bei eurem DIY Radioastronomie Podcast!
Source: https://g.co/gemini/share/f0e97557b8f5
Podcast: Play in new window | Download (Duration: 9:58 — 4.6MB)